Es führen zahlreiche Wege in die Geschichte, aus denen sich Ursprünge der Freimaurerei ableiten lassen. Es erscheint fraglich, ob es nur einen einzigen richtigen Weg gibt. Vielmehr muss angenommen werden, dass sich Freimaurerei aus den Philosophieschulen über Jahrtausende, in zahlreichen Ländern und unter verschiedenen Religionen ohne einen roten Faden entwickelt hat. Zu jeder Zeit fühlten sich die Menschen bestimmten Werten verbunden. Sie drückten dies in verschiedenen Symbolen, Ritualen und Religionen aus. Insofern lässt sich die heutige Freimaurerei mit zahlreichen Quellen in Verbindung bringen, in denen dieselben Werte enthalten sind. Insofern schöpft die Freimaurerei ihre Entstehung aus zahlreichen Quellen.
Die Ursprünge der Freimaurerei werden u.a. vermutet:
Die folgende Erklärung wird sich auf den ausgetretensten Pfad beschränken. Den Weg zur Harmonie in der Geometrie, sichtbar gemacht in der Architektur. Dazu finden wir Anknüpfungspunkte beim Pyramidenbau, dem salomonischen Tempel, bei Pythagoras, beim römischen Architekten Vitruvius und später dann bei den Steinmetzen des Mittelalters. Wenn es denn einen roten Faden gibt, dürfte er sich über diese Stationen spannen.
Das Gedankengut der heutigen spekulativen Freimaurerei (also nicht handwerklich tätige Maurer und Steinmetze) hat zweifellos seinen Ursprung in den Kenntnissen der Geometrie, der Mathematik und der daraus abgeleiteten Gestaltungslehre für Tempelbauten, das heißt also für göttliche Bauwerke.
Im Judentum war die Herstellung von Götzenbildern verboten. Der Islam übernahm dieses Tabu. In beiden Religionen bildete sich eine kulturelle Tradition heraus, die jede Abbildung natürlicher Gestalten, also auch die des Menschen, ablehnte. Die Ausschmückung mit menschlichen oder gar göttlichen Bildern, wie man sie in christlichen Kathedralen findet, ist in Synagogen oder Moscheen fremd.
Jeder Versuch, die natürliche Welt darzustellen, galt als blasphemisch. Eben als Bemühung des Menschen, mit Gott dem Schöpfer zu wetteifern oder ihn sogar zu übertrumpfen.
Gott allein wurde das Recht zugesprochen, Gestalten aus dem Nichts, Leben aus Staub zu schaffen. Wenn der Mensch das Leben mit Hilfe von Holz, Stein, Farbe oder anderen Stoffen nachbildete, so sündigte er gegen das göttliche Recht – und brachte notwendigerweise nur eine Parodie der Schöpfung hervor.
Hinter diesem nur allzu wörtlich genommenen Dogma verbarg sich eine tiefer gehende theologische Rechtfertigung, die sich in weiten Teilen mit dem alten Gedankengut von Pythagoras und Hermes überschnitt und vielleicht sogar von ihnen beeinflusst wurde.
Im Judentum und im Islam ist Gott einzigartig, eine Einheit; Gott ist alles. Dagegen betrachtete man die Gestalten der Erscheinungswelt als zahlreich, vielfältig und unterschiedlich. Solche Gestalten zeugten nicht von der göttlichen Einheit, sondern von der Zerstückelung der säkularen ( irdischen ) Welt.
Wenn Gott überhaupt in der Schöpfung ausgemacht werden konnte, dann nicht in der Vielfältigkeit der Gestalten, sondern in den gemeinsamen Prinzipien, die jenen Gestalten zugrunde lagen. Mit anderen Worten, Gott war in den Prinzipien der Form – letztlich bestimmt durch die Grade eines Winkels – und der Zahl auszumachen.
In Form und Zahl, nicht in der Darstellung unterschiedlicher Gestalten, manifestierte sich Gottes Herrlichkeit. Deshalb musste die göttliche Präsenz durch Gebäude veranschaulicht werden, die auf Form und Zahl und nicht auf darstellender Ausschmückung beruhten.
Ständig wiederkehrende geometrische Muster geben der Synthese von Form und Zahl Ausdruck. Deshalb schienen gewisse absolute Gesetze durch das Studium der Geometrie sichtbar zu werden – Gesetze, die von einer allumfassenden Ordnung zeugten. Dieser Generalplan schien unfehlbar, unveränderlich, allgegenwärtig; und dank dieser Qualitäten konnte er ohne große Mühe als etwas verstanden werden, das göttlichen Ursprungs war: Eine sichtbare Manifestation der göttlichen Macht, des göttlichen Willens, der göttlichen Kunst. Und so nahm die Geometrie im Judentum und Islam heilige Proportionen an, wurde mit dem Charakter eines ihr innewohnenden Geheimnisses ausgestattet.
Betrachten wir kurz zwei Kernaussagen von Pythagoras:
Der Lehrsatz von Pythagoras lautet: C² = A² + B² das heißt:
In einem rechtwinkligen Dreieck, ist das Quadrat der Hypothenuse gleich der Summe aus den Quadraten der anderen zwei Seiten.
Pythagoras stellte aber auch eine Grundregel für Harmonie auf:
Damit führt die Teilung einer willkürlich langen Strecke zu einem harmonial-musikalischen Ergebnis. Musikalisch ausgedrückt: Quint und Quart bilden eine Oktave.
Dies ist bis heute zusammen mit der Konstruktion des goldenen Schnittes (siehe dort) eine der wichtigsten Grundregeln für harmonische Proportionen in der Architektur. Zur Konstruktion harmonischer Seitenverhältnisse bedarf es zweier Werkzeuge:
Winkelmass und Zirkel sind heute die wichtigsten Symbole der Freimaurerei. Zur geschichtlichen Einordnung sei erinnert, Pythagoras lebte 569 – 475 vor Chr.
Gegen Ende des ersten vorchristlichen Jahrhunderts entwickelte der römische Architekt Marcus Vitruvius (90 – 20 v. Chr.) einige Grundprämissen für künftige Baumeister.
Er entwickelte die Grundform einer Basilika. Er forderte: »Die Altäre müssen nach Osten gerichtet sein«, was bekanntlich in christlichen Kirchen bis heute der Fall ist. Weiter empfahl er, die Baumeister in Genossenschaften, in „collegia“ zu organisieren.
Vor allem aber stellte er den Architekten nicht als bloßen Handwerker dar: Der Architekt »soll … des Zeichnens kundig …, unterrichtet in der Rechenkunst und in vielen Geschichtswerken bewandert sein, ferner die Philosophie mit Eifer gehört haben, Kenntnis in der Tonkunst besitzen … und sich Kenntnisse in der Sternkunde … angeeignet haben«
Für Vitruvius war der Baumeister im Grunde eine Art Magier, der die Summe des menschlichen Wissens beherrschte und in die Schöpfungsgesetze eingeweiht war. Den ersten Rang unter diesen Gesetzen habe die Geometrie, die der Architekt heranziehen müsse, um die Tempel in „ästhetisch gewählten Verhältnissen“ zu bauen.
Auch in dieser Hinsicht sollten Judentum und Islam mit dem klassischen Gedankengut übereinstimmen. Denn war die Architektur nicht die höchste Anwendung und Verwirklichung der Geometrie – eine Verwirklichung, die sogar noch weiter ging als die Malerei und die Geometrie dreidimensional machte? War es nicht die Architektur, in der sich die Geometrie letztlich verkörperte?
Eben deshalb verzichteten Synagogen und Moscheen auf jegliche Ausschmückung und stützten sich vielmehr auf die geometrischen Prinzipien, auf abstrakte mathematische Beziehungen. Bei den zulässigen Ornamentierungen handelte es sich z.B. um das Labyrinth, die Arabeske, das Schachbrettmuster, den Torbogen, die Säule und andere »in sich selbst reine« Verkörperungen der Geometrie, von Regelmäßigkeit, Balance und Proportion.
Während der Reformation wurde das Tabu gegen die darstellende Kunst, von besonders enthaltsamen Auslegungen im Protestantismus übernommen. Dies galt besonders für Schottland.
Aber das mittelalterliche Christentum, unter der Vorherrschaft der katholischen Kirche, kannte solche Behinderungen und Verbote nicht. Gleichwohl beeilte sich das Christentum, die Prinzipien der heiligen Geometrie für seine eigenen Versuche zur Verkörperung und Anbetung des Göttlichen zu nutzen.
Von der Zeit der gotischen Kathedralen an, war die Geometrie in der Architektur und in der architektonischen Ausschmückung zusammen mit der darstellenden Kunst ein wesentlicher Bestandteil christlicher Kirchen.
In den gotischen Kathedralen war die Geometrie sogar der bedeutendste Faktor. Derartige Gebäude wurden unter der Leitung eines sogenannten „Werkmeisters“ errichtet. Jeder dieser Meister entwarf eine einzigartige Geometrie, mit der alles weitere zu harmonieren hatte. Eine Untersuchung der Kathedrale von Chartres hat ergeben, dass ihr Bau im Laufe ihrer Fertigstellung von neun verschiedenen Meistern geprägt wurde.
Die Meister waren im Wesentlichen tüchtige Handwerker und Zeichner mit rein technischen Fertigkeiten. Doch einige von ihnen – zwei, wie man annimmt, von den neun in Chartres – waren offensichtlich auch in anderen Dingen versiert. Ihre Arbeit spiegelt einen metaphysischen oder – in der Sprache der Freimaurerei – „spekulativen“ Charakter wider, der einen hohen Grad von Bildung und Welterfahrenheit verrät. Diese Männer waren nicht nur Baumeister, sondern auch Denker und Philosophen.
Verschiedene alte Manuskripte erwähnen, eine „Wissenschaft“, deren Geheimnisse nach der Sintflut von Pythagoras und Hermes wieder entdeckt wurden. Aus solchen Hinweisen wird deutlich, dass einige Baumeister Zugang zum hermetischen und neuplatonischen Gedankengut hatten, bevor dieses während der Renaissance in Westeuropa in Mode kam.
Doch vor der Renaissance galt ein solches Gedankengut als heterodox – als andersgläubig von der Kirchenlehre abweichend. Es schöpfte nichtchristliche Quellen aus. Für seine Anhänger war es äußerst gefährlich. Sie waren zur Geheimhaltung gezwungen. Dies führte zur Entstehung einer „esoterischen“ Tradition „eingeweihter“ Meister, die jedoch innerhalb der Zünfte „operativer“ Steinmetzen arbeiteten. Hier liegen vermutlich die Keime dessen, was später „spekulative“ Freimaurerei genannt werden sollte.
John Dee ein Art Erzmagier seiner Zeit (1527 in Wales geboren, Arzt, Philosoph, Astrologe, Kabbalist, Mathematiker) Er half, die vitruvischen Prinzipien von Architektur und Geometrie zu verbreiten. Er veröffentlichte er 1570, ein Vorwort zu einer englischen Euklid-Übersetzung. Darin pries er „die Oberhoheit der Architektur unter den mathematischen Wissenschaften“
Er nannte Christus „unseren Himmlischen Baumeister“ Wie Vitruvius stellte er den Architekten als eine Art Magier dar, Zitat: „Ich denke, dass niemand sich rechtmäßig von einem Moment zum anderen als Architekt betrachten kann. Aber nur jene, die von Kindesjahren an die Grade des Wissens emporsteigen und zur Meisterung vieler Sprachen und Künste ausgebildet werden, haben das hehre Tabernakel der Architektur gewonnen.“
In einer Passage, berief er sich auf Platon, Zitat: „Und der Name der Architektur ist von der Fürstlichkeit, mit der diese Wissenschaft alle anderen Künste überragt.“ Und Platon bekräftigt weiter: „Der Architekt ist der Meister über alle, die eine Arbeit machen.“
Für diese in „esoterische“ Traditionen „eingeweihter“ Meister spielte die Geometrie eine überragende Rolle. Sie galt, als Manifestation des Göttlichen. Für solche Meister war eine Kathedrale mehr als nur ein „Gotteshaus“, nämlich eine Art Musikinstrument, das wie eine Harfe auf einem erhabenen, spirituellen Ton gestimmt war. Gott selbst, so meinten sie, würde in den Klängen des Instruments mitschwingen und alle die das Gebäude betrachten, würden seine Gegenwart spüren.
Aber wie stimmte man es richtig? Wie und wo legte Gott die Erfordernisse zur Umsetzung seines Plans fest? Die heilige Geometrie lieferte die allgemeinen Prinzipien, die alles zugrunde liegenden Gesetze. Aber es gibt zwei Stellen im Alten Testament, in denen Gott den Menschen sehr genau instruiert, wo er seinen eigenen Entwurf vorlegt.
Diese Stellen beziehen sich auf den Bau des Salomonischen Tempels. Vor diesem Hintergrund gewann der Bau des Tempels für die Steinmetze des Mittelalters höchste Bedeutung. Hier hatte Gott die praktische Anwendung der heiligen Geometrie auf dem Gebiet der Architektur gelehrt. Dieser Lehre hatte jeder wahre Baumeister nachzueifern. Auch heute steht der salomonische Tempel symbolisch im Mittelpunkt freimaurerischer Arbeit.
Seit Gründung der ersten Großloge am 24. Juni 1717 in London wurde die maurerische Geschichte hervorragend dokumentiert. Klar ist, dass es auch vor der Großlogengründung bereits Maurerei gab. Leider verlieren sich deren Spuren in der Geschichte und können allenfalls aus Mosaiksteinen zusammengesetzt werden.